Anna Carina Roth (*1993 in Oberwart, Burgenland) is an Artist based in Vienna, Austria.

Spuren, die bleiben: Amira Ben Saoud zu den Arbeiten von Anna Carina Roth

Was wird erst nach und nach sichtbar, was ist das Nicht-Offensichtliche, das durch die künstlerische Praxis sichtbar gemacht werden soll?

Um diese Fragen für sich zu beantworten, schafft Roth in erster Linie keine Werke, sondern Prozesse, in denen sie nicht nur Licht, Papier, Chemikalien und Zeit für sich arbeiten lässt, sondern auch andere Menschen. Die Künstlerin sorgt für klare Rahmenbedingungen, in denen dann aber die kontrollierte Aufgabe von Kontrolle möglich ist. Zum Beispiel bei Randbemerkung, einer Serie von Photogrammen, für die Roth Oberflächen wie Bartresen oder Tische mit lichtempfindlichen Papier für einen gewissen Zeitraum bespannt. Die Spuren sozialer Interaktion - das Gläserabstellen, die ausgeschütteten Getränke, Finger und abgestützten Hände - werden so festgehalten. Einen ähnlichen Zugang wählte sie auch für die Arbeit An der Schwelle, bei der sie einen Fußabtreter am Eingang zu einer Ausstellung durch eine mit lichtsensitivem Papier bespannte Platte ersetzt hat. Die Gäste schufen durch ihr Auf-die-Schwelle-Treten im Rahmen der Präsentation von Kunst also neue Kunst - wahrscheinlich ohne es zu merken. Damit wirft Roth auch ganz bewusst Fragen um Autor:innenschaft auf.

Bei It comes in waves sind es nicht Menschen, sondern die Fotochemikalien selbst, die die für Roth so wichtigen Spuren hinterlassen. In kleinen sogenannten Wellenbadschaukeln aus dem 19. Jahrhundert nachempfundenen Keramikwannen bilden sie Rückstände - wobei die Kippbewegung der Wanne auf die Bildentstehung in der analogen Fotografie verweist. Der menschliche Körper - , die ursprünglichen Wannen waren dazu gedacht, dass Menschen in ihnen baden, - glänzt hier durch Abwesenheit. Bei Fremdkörper (“diese Uhren in meinem Leib”) hingegen verweist der Untertitel auf einen Text von Frederike Mayröcker, in dem das Vergehen der Zeit insbesondere in Bezug auf den (weiblichen) Körper verhandelt wird, andererseits ist der Körper in der Arbeit gerade kein menschlicher, sondern eine amorphe Skulptur aus in Kalbslederwülsten eingenähte Infusionsschläuche, aus denen über einen längeren Zeitraum Kochsalzlösung tropft, die wiederum ein Bild generiert. Eine Parallele lässt sich zur Arbeit Zyklus feststellen, wo es noch einmal radikaler um den weiblichen Körper und seine Funktionen und die Umsetzung dieses Körpers in Skulpturen geht. Radikaler, weil Roth sich hier nicht an einem Text, sondern an ihrem eigenen Körper abarbeitete: Sie beobachtete ihre Regelblutung für ein Jahr und verwandelte jeden “Blut-Tag” in eine kleine Keramik, nämlich einen Menstruationscup. Die so körperliche, weibliche Erfahrung wird - im wahrsten Sinne des Wortes “objektifiziert” - zu anorganischen, kühlen Objekten gemacht.

Wie so oft vermag es Anna Carina Roth hier Anwesenheit durch Abwesenheit und Nähe durch Distanz heraufzubeschwören. Sie macht das Nicht-Offensichtliche sichtbar.

Artist Statement

Die Vergänglichkeit des Augenblicks, Veränderungsprozesse und das Vergehen der Zeit spielen in meinen Skulpturen und Installationen eine wesentliche Rolle. Spuren, die vor allem der menschliche Körper hinterlässt, sowie die Spur als Relikt sind zentrale Themen. Durch Materialien, die sich verändern und mit ihrer Umgebung reagieren, möchte ich das Vergehen der Zeit nachvollziehbar machen. Meine Hauptmaterialien sind Keramik und lichtempfindliches Papier oder Chemikalien, aber auch Latex, Leder oder Wachs. Der Keramik ist für mich das Vergehen der Zeit bereits eingeschrieben. In der analogen, kameralosen Fotografie arbeite ich mit der Lichtempfindlichkeit sowie der Vergänglichkeit des Films oder des Fotopapiers und begreife dieses selbst als einen lebendigen Körper. Ich nehme Bezug auf die Sprache, vor allem Lyrik, aber auch auf die Metaphern der Fotografie. Die Betrachter :innen sind oft an der Entstehung der Werke im Ausstellungsraum beteiligt: Sie lösen Bewegungsabläufe von kinetischen Installationen aus oder schreiben sich unbewusst mit ihrer Anwesenheit in partizipatorische, prozesshafte Objekte ein.

The fleetingness of a moment, processes of change and the passing of time play an essential role in my sculptures and installations. Traces that the human body in particular leaves behind as well as the trace as a relic are central themes. Through materials that change and react with their environment, I want to make the passing of time comprehensible. My main materials are ceramics and light sensitive paper or chemicals but also latex, leather or wax. Ceramics to me have the passing of time already inscribed in them. In analog, cameraless photography, I work with the light sensitivity as well as the transience of the film or the photographic paper, and I understand this itself as a living body. I make special reference to language, especially poetry, but also to the metaphors of photography. The viewers are often involved in the creation of the works in the exhibition space: they trigger movement sequences of kinetic installations or unconsciously inscribe themselves with their presence in participatory, process-like objects.

Ausbildung

seit 2022 // Ortsbezogene Kunst bei Paul Petritsch, Universität für angewandte Kunst Wien

2018–2022 // Bildende Kunst und Fotografie bei Gabriele Rothemann, Universität für angewandte Kunst Wien

2017 // Diplom, Klasse für künstlerische Fotografie bei Anja Manfredi mit Vorträgen/Workshops von Anna Jermolaewa, Jörg Sasse, Michaela Moscouw, Nilbar Güres etc, Schule Friedl Kubelka Wien

2019 // Bachelor of Arts, Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Universität Wien

Education

since 2022 // Site-Specific Art, Prof. Paul Petritsch, University of Applied Arts Vienna

2018–2022 // Fine Art Photography, Prof. Gabriele Rothemann, University of Applied Arts Vienna

2017 // Diploma, Class of Fine Art Photography Anja Manfredi with teaching contributions by Anna Jermolaewa, Jörg Sasse, Michaela Moscouw, Nilbar Güres among others, Schule Friedl Kubelka, Vienna

2019 // Bachelor of Arts, Communication Science, University of Vienna

Exhibitions (Selection)

Solo/Duo:

2024 I’ll keep it if you don’t, Anna Carina Roth & Johnny Linder, Spektakel, Wien (DUO)

2024 Über mein Leibesgebiet hinaus, Red Carpet Showroom Volkstheater, Wien (SOLO)

2024 Die Höhle des Mundes, der nicht spricht, dito space, Wien (SOLO)

2024 Im Stubenwinkel verglüht mir die Zeit, Roland Rainer Kirche, Wien (SOLO)

2023 Die Höhle des Mundes, der nicht spricht, La Ira de Dios, Buenos Aires, Argentina (SOLO)

2022 ich spür förmlich deine anspannung, my darling! Verein Fortuna, Vienna, Austria (DUO with Carlos Vergara)

2020 To lay bare, OHO, Oberwart, Austria (SOLO)

Group:

2024 Dancing within, dancing without, Viktoria, Vienna, Austria

2023 Open Studios La Ira de Dios in the frame of Microcentro Cuenta, Buenos Aires, Argentina

2023 Tiny Art Run, Angewandte Festival, Vienna, Austria

2023 tbh, Foto Wien, Littfaßsäulen Vienna, Austria

2023 ARD Lab II Presentation, ARD Art, Cairo, Egypt

2023 Peripher, Galerie 52, Essen, Germany

2022 Playing string figures, Kunstverein Baden, Austria, curated by Katja Stecher

2022 Tonscherben, Landesgalerie Burgenland, Austria, curated by Margit Fröhlich & Theresia Gabriel

2022 Beyond the traces, Transit Project Space, Vienna, Austria, curated by Tsai-Ju Wu

2022 Fototopos, Angewandte Festival, Vienna, Austria, curated by Philipp Goldbach

2022 Graze, The Dessous, Vienna, Austria, curated by Nina Lilli Lerch & Anna Katharina Mährlen

2022 Stones in a Glass House, Foto Wien, Never at Home, Vienna, Austria

2021 Open House, Vienna Art Week, Creative Cluster Vienna, Austria

2021 Think Exposed, Angewandte Festival, Vienna, Austria

2021 Parallel Editions with Galerie Rudolf Leeb, Semperdepot Vienna, Austria

2021 Delay, Zacherlfabrik Vienna, Austria

2021 Das Bild des Burgenlandes, Cselley Mühle, Oslip, Burgenland, Austria

2021 Liquid Solidity, Project Space Zieglergasse, Vienna, Austria, curated by Eva Keller & Karina Mendreczky

2021 Kunstwerk des Monats, Landesgalerie Burgenland, Austria

2020 Shutdown? - Mit Kunst aus der Isolation, OHO, Oberwart, Austria, curated by Alfred Masal

2020 Distant Dissonance, Angewandte Festival, Vienna, Austria

2020 Curated by H&H, Heroes & Heroines Showroom, Vienna, Austria

2020 Stand By, Galerie Rudolf Leeb, Vienna, Austria

2019 Farewell, you beloved piece of art, Galerie Rudolf Leeb, Vienna, Austria, curated by Verena Kaspar-Eisert

2019 I am not what I am… Kulturna Stanica Svilara, Novi Sad, Serbia

2019 Hellas Imprints, ASFA Rethymno Annex, Kreta, Greece

2019 Ich bin nicht, was ich bin… Cselley Mühle, Oslip, Austria

2019 Du hast den Farbfilm mitgehabt, Angewandte Festival, Vienna, Austria

2019 Circle, Galerie.Z, Hard, Vorarlberg, Austria

2019 Potenz, die weiblich II, OHO, Oberwart, Austria, curated by Alfred Masal

2019 Expolaroid, Vinyl Harvest, Luxemburg

2019 A fork in the road, Foto Wien, Otto Wagner Postsparkasse, Vienna, Austria

2018 Schriftbilder, Projektraum Burgenland, Eisenstadt, Austria

2018 Junge Kunst, OHO, Oberwart, Austria, curated by Alfred Masal

2018 ORF Funksalon, ORF Burgenland, Eisenstadt, Austria

2018 Burgenlands Aufbruch in die Moderne II, Projektraum Burgenland, Austria

2017 Fabrics of the Visual, Parallel Vienna, Former Sigmund Freud University, Vienna, Austria, curated by Käthe Hager von Strobele

2017 16/17 = 47, Fotogalerie Wien, Austria, curated by Ruth Horak

2017 Wien/Basel at Home, At Home Gallery, Vienna, Austria, curated by Tatjana Schmidt

Lectures / Workshops / Artist Talks

2024 // Panel Talk „Wie wir uns bewegen und kommunizieren“, Reihe Zukunftstalk, OHO Oberwart, Austria

2023 // Workshop & Exhibition „Re-thinking the medium of photography“, Austrian Cultural Forum Cairo, Egypt

2023 // Artist Talk, invited by Oslo Fotokunstskole and German University Cairo at Studio Xenia Nikolskaya, Cairo, Egypt

Scholarships / Grants / Prizes

2024 // Project Funding, Land Burgenland

2024 // MA7 Project Funding (District Simmering, District Margareten), City of Vienna

2023 // Artist in Residence at La Ira de Dios in Buenos Aires, Argentina

2023 // Project Grant, Federal Ministry of Culture (BMKÖS), Austria

2023 // Artist Mobility Grant, Culture and Arts Department, Burgenland

2023 // Foreign Exchange Grant, University of Applied Arts Vienna

2023 // Mentoring-Programme, Academy of Fine Arts Vienna & BMKÖS, Mentor: Rainer Iglar

2022 // START-Scholarship for Artistic Photography, Federal Ministry of Culture (BMKÖS), Austria

2022 // Working Grant, Culture and Arts Department, Burgenland

2022 // Emanuel and Sofie Fohn Scholarship

2021 // Working Grant, Culture and Arts Department, Burgenland

2021 // Grant for Young Art, Culture and Arts Department, Burgenland

2020 // Project Funding, Land Burgenland

2019 // Artist in Residence at Cselley Mühle Oslip, Burgenland

2018 // Artist in Residence at Domus Artium in Paliano, Italy

2017 // Recognition Award, Culture and Arts Department, Burgenland

Collections

Landesgalerie Burgenland

Private Collections